Die Theater-AG der Q3 hat sich in diesem Herbst mit zwei unterschiedlichen Projekten beschäftigt, gemeinsam aufgeführt am 16. und 17.12.2022 in der Aula der ISH.
Da ist zum einen die Satire „Der jüdische Gerichtsvollzieher“, in der Siegfried Lichtenstaedter ( 1865, ermordet 1942 in Theresienstadt, bayerischer Jurist, Jude und in vielerlei Hinsicht extrem klarsichtiger Beobachter) den Antisemitismus eines fiktiven Staates Anthropolis (Menschenstadt) analysiert.
Zum zweiten „Homo empathicus“ von Rebekka Kricheldorf (1974): eine genderneutrale, vegane, jegliche Kritik oder andere negative Emotionen vermeidende Welt.
Homo Empathicus – Pathologisch empathisch
Die zweite Abiturient:innen-Theater AG unter Leitung von Herr Müller führte am 16. und 17. Dezember das Theaterstück „Homo Empathicus“ auf, eine von Rebekka Kricheldorf geschriebene dystopische Auseinandersetzung mit politischer Korrektheit, Identitätspolitik und einer schaurig netten Gesellschaft.
Eine Zukunft, in der jeder zu penibler Rücksicht auf seine Mitmenschen gezwungen ist, das Geschlecht nicht öffentlich erkennbar sein darf, jede noch so kleine soziale Interaktion in einem gesellschaftlich fest definierten Rahmen erfolgt, wird hier dargestellt. Und das in einem Rahmen, in dem die heute bereits existierenden Ansätze einer solchen Entwicklung erkennbar werden, vor allem aber mit viel Humor und einer ausdrücklich vermittelten Warnung vor dem „Homo Empathicus“, dem vermeintlich „empathischen Menschen“.
Die gelungene Inszenierung des Stückes hat es trotz seines lockeren Humors geschafft, den Zuschauer immer wieder in eine ungemütliche Vorstellung zu rücken. Direkt zu Beginn wird klar, dass ein anfangs scheinbar harmonischer Umgang zwischen Freunden auf einer gesellschaftlich indoktrinierten Selbstunterdrückung basiert und nicht das gesagt werden darf, was gedacht wird, was jeder Zuschauer auch denkt, was auf der Bühne aber nicht ausgesprochen wird und seinen Ausdruck nur gelegentlich in den entnervten und verzerrten Gesichtern der Akteure findet. Nach und nach entfaltet sich der Wahnsinn dieser Dystopie und findet sogar einen Hoffnungsschimmer. Doch dieser verblasst bald und der Zuschauer wird am Ende mit einer immer noch entmenschlichten Welt zurückgelassen, aus der es kein Entkommen zu geben scheint.
Beachtlich an der schauspielerischen Leistung war die authentische Vermittlung der völligen Verblendung der Menschen, die die Wirkmächtigkeit einer gesellschaftlichen Doktrin verdeutlicht haben. Darüber hinaus war der Humor sehr gut dosiert und kam an den richtigen Stellen zum Ausdruck, was eine insgesamt sehr unterhaltsame Darbietung versprach.
Somit sein ein großes Lob an die Schauspielerinnen und Schauspieler, den Souffleur Felix Porath und natürlich Herrn Müller ausgesprochen.
Esad Dalmis
Über Antisemitismus darf man lachen!
Am 16 und 17.12. durften wir uns unter anderem mit der Antisemitismus-Satire „Der jüdische Gerichtsvollzieher“ von 1926 befassen, in welcher das Amt des Gerichtsvollziehers von einem Juden besetzt wird, worauf eine große Empörung folgte. Das Theaterstück basiert auf einer Kurzgeschichte Siegfried Lichtenstaedters (von Götz Aly in dem Band „Prophet der Vernichtung“ herausgegeben), eine humorvoll-bittere kritische Auseinandersetzung und Satire, welche bekanntlich als Kunstgattung durch Übertreibung, Ironie und Spott an Personen und Ereignissen Kritik übt und mit Lächerlichkeit Zustände anprangert.
Besonders beeindruckend und aufrüttelnd bei der Inszenierung war der chorisch vorgetragene Schlussabschnitt des Textes zu einer Kritik an der Armenierpolitik der Türkei. Die spezifische Wirkung des Stücks ist allgemein aufrüttelnd und ironisch. Das schlichte Bühnenbild bietet die Möglichkeit, sich auf das wesentlich Gesagte zu fokussieren und spielt eine eher nebensächliche Rolle während der Inszenierung. Über das gesamte Stück hinweg ist in dem Theatersaal eine angespannte Stimmung zu spüren, unterstützt durch die kontinuierlich professionelle Ernsthaftigkeit der Akteure. Ohne weitere äußere Mittel wie Musik, Klänge und Geräusche arbeitet die Truppe hauptsächlich mit der Intonation und sparsam eingesetzten szenischen Interaktionen. Lautes Lachen bleibt dem Publikum angesichts der ernsten Thematik allerdings eher im Hals stecken.
Abschließend sei gesagt, dass alle Mitwirkenden, darunter Dr. Gerhard Müller (Spielleitung) und Esad Dalmis (Souffleur), bei dieser Aufführung sehr gute Leistungen gezeigt haben und somit den Zuschauern einen unvergesslichen und sicherlich zum Denken anregenden Abend bereitet haben.
Felix Porath